05.2022: Kampagne „Meine Hautgesundheit“ der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie – Beiträge Dr. Tzaneva

Link zu original Beitrag „Venenbeschwerden erleichtern“

VENENBESCHWERDEN ERLEICHTERN

Beschwerden in den Beinen sind ein häufiger Grund für einen Arztbesuch. Rund jeder sechste Mann und jede fünfte Frau sind von Krampfadern betroffen. Typischerweise werden Schmerzen und Neigung zu Schwellungen in den Beinen sowie nächtliche Wadenkrämpfe beklagt. Venenbeschwerden reichen von leichten abendlichen Knöchelschwellungen bis zu ausgeprägten Ödemen, Schweregefühl und Schmerzen — Univ.-Prof. Dr. Stanislava Tzaneva von der Universitätsklinik für Dermatologie in Wien im Interview mit Meine Hautgesundheit. Welche Risikofaktoren für Krampfadern sind bekannt?


Wenn in der Familie Venenleiden vorliegen, steigt das Risiko für eine Venenerkrankung an. Auch höheres Alter, weibliches Geschlecht, Schwangerschaften, Übergewicht, aber auch Körpergröße sowie stehende oder sitzende Tätigkeiten zählen zu den Risikofaktoren.


Was kann man vorbeugend gegen Krampfadern tun?

An erster Stelle ist es wichtig, das Normalgewicht zu halten. Längeres Stehen oder Sitzen soll man vermeiden, Günstig ist das Hochlagern der Beine, das Tragen von Kompressionsstrümpfen, viel Bewegung – hier speziell mit Betätigung der Wadenmuskulatur und der Sprunggelenke.


Zu welchen Komplikationen können sich Krampfadern unbehandelt entwickeln? Schreiten sie unbehandelt voran?

Die Krampfadern, auch „chronisch venöse Erkrankung“ genannt, schreiten ohne Behandlung voran, allerdings in der Regel sehr langsam. Es handelt sich um eine degenerative Erkrankung der Venenwände und der Venenklappen, die bei Betroffenen lebenslang andauern kann. So kommt es mit der Zeit zum Fortschreiten und Übergehen in ein höheres Stadium. Sobald fortgeschrittene Hautveränderungen wie Schwellungen, Ekzeme, Verdickung der Haut bis zu offenen Wunden auftreten, sprechen wir von „chronisch venöser Insuffizienz“. Spätestens dann sollten sich die Betroffenen behandeln lassen, sonst kann es zu Komplikationen kommen. Diese können folgende sein: Blutungen aus geplatzten Krampfadern, Infektionen von Wunden bis zur Blutvergiftung, Venenentzündungen, tiefe Venenthrombose mit oder ohne Lungenembolie und als deren Folge sogar der Tod. Aber auch subjektive Beschwerden wie Schweregefühl in den Beinen, Schmerzen, Jucken, Ziehen, Krämpfe oder unruhige Beine sind eine Indikation zur Behandlung.


Wie gefährlich sind oberflächliche Venenentzündungen, respektive Venenthrombosen?

Oberflächliche Venenentzündungen können bis ca. 30% der Fälle in das tiefe Venensystem übergehen und so eine tiefe Venenthrombose auslösen. Die tiefe Beinvenenthrombose kann in manchen Fällen zu einer tödlichen Lungenembolie führen. Noch dazu sind diese Zustände mit starken Schmerzen, Schwellungen und einer wesentlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden. Ganz besonders gilt das für das sogenannte postthrombotische Syndrom, wo die Betroffenen langfristig mit den Folgen einer vorangegangenen Thrombose wie Schwellung, Stauung, Hautverdickung, Hautentzündungen bis hin zu chronischen Wunden kämpfen müssen.


Wie bemerkt man eine tiefe Beinvenenthrombose? Wie kündigt sie sich an?

Die am häufigsten auftretenden Beschwerden bei einer tiefen Beinvenenthrombose sind die Schmerzen und die Schwellungen, die in der Regel akut und einseitig auftreten. Je nachdem ob große Beckenvenen, Oberschenkelvenen oder kleinere Unterschenkel- und Muskelvenen betroffen sind, ist die Ausprägung der Beschwerden unterschiedlich. Wenn große Venen betroffen sind, kann eine mehrere Zentimeter Differenz im Beinumfang mit starken Schmerzen bestehen, die sogar eine längere Gehstrecke unmöglich machen. Dann kann auch die Haut rötlich-bläulich verfärbt sein. Wenn kleinere Venen betroffen sind, kann der Schmerz punktuell an der Wade sein oder an der Fußsohle, die Schwellung geringer und die Haut unverändert. Leider gibt es keine hundert prozentig verlässlichen Beschwerden, die eine Thrombose bestätigen. Daher ist es häufig notwendig, eine Blutabnahme oder eine Ultraschalluntersuchung durch den Arzt vornehmen zu lassen um den Verdacht zu bestätigen oder auszuschließen.


Woraus besteht die konservative Therapie von Krampfadern?

Die wichtigste Säule der konservativen Therapie ist die Kompression. Sie kann mit Kompressionsverbänden, medizinischen Kompressionstrümpfen und speziellen Kompressionssystemen durchgeführt werden. Empfohlen wird sie speziell bei Schwellungen, Schmerzen, Hautveränderungen, Wunden sowie nach medizinischen Eingriffen, aber auch in der Prävention von Komplikationen und Fortschreiten der venösen Erkrankung. Die zweite Säule bilden die venenaktiven Medikamente, die oral eingenommen werden und häufig mit der Kompression oder anderen Methoden kombiniert werden. Andere Möglichkeiten der konservativen Therapie sind eine Gewichtsreduktion, Modifikation des Lebensstils mit viel Bewegung und gesunder Ernährung, sowie physikalische Maßnahmen, wie Hochlagern der Beine, Kaltduschen oder Wechselbäder.


Warum ist die Compliance für Kompressionsstrümpfe so niedrig?

Die meisten Menschen tun sich schwer mit dem Anziehen von Kompressionsstrümpfen. Das gilt besonders für ältere Personen oder Menschen mit Gelenksbeschwerden. Zur Unterstützung gibt es Anziehhilfen, die aber eine Einschulung erfordern und nicht billig sind. Die Strümpfe trocknen die Haut aus und ohne entsprechende Pflege kann es zum Jucken oder sogar Ekzeme auf der Haut kommen. Darüber hinaus empfinden die meisten Menschen das Tragen von Kompressionsstrümpfen in der warmen Jahreszeit als unangenehm. Wenn man aber die Patienten selektiert, die tatsächlich Kompressionsstrümpfe brauchen und sie entsprechend aufklärt und einschult, kann die Akzeptanz beträchtlich gesteigert werden.


Welche venenaktiven Medikamente sind aus Ihrer Sicht empfehlenswert?

Die meisten venenaktiven Medikamente beruhen auf pflanzlicher Basis und werden sehr gut vertragen, besonders wenn sie mit der Mahlzeit eingenommen werden. Sie können alleine oder in Kombination mit Kompression oder verschiedenen anderen Behandlungen, wie z.B. Veneneingriffen verwendet werden. Ein Vorteil ist, dass sie in allen Stadien der venösen Erkrankung Anwendung finden und besonders in den frühen Stadien eine der wenigen Alternativen sind. Sie stärken die Venenwände und die Venenklappen, verbessern den Blutkreislauf in den kleinen Gefäßen und wirken anti-entzündlich im Gewebe. Entsprechend werden sie vor allem dann eingesetzt, wenn subjektive Beschwerden vorliegen im Sinne von Schwellung, Schmerzen, Schweregefühl, Ziehen, Jucken, Krämpfe und unruhige Beine. Beispiele für venenaktiven Medikamente sind z.B. Flavonoide, die aus Zitrusfrüchten gewonnen werden. Andere Vertreter sind rotes Weinlaubextrakt, Rosskastanien-Samen Extrakt, Mäusedorn, Traubenkernextrakt, Eukalyptus, Ginko biloba. Am besten untersucht sind die Flavonoide, speziell die mikronisierte gereinigte Flavonoidfraktion, die diese subjektiven Beschwerden lindern können, die Lebensqualität in allen Stadien der Erkrankung verbessern und Wunden in Kombination mit Kompression zur Abheilung bringen können.


Soll man bei Langstreckenflügen Kompressionsstrümpfe tragen oder was empfehlen Sie?

Ja, ich empfehle das Tragen von knielangen Stützstrümpfen bei allen Menschen ohne zusätzliche Risikofaktoren für eine Thrombose. Außerdem soll auch auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Bewegung in der Wadenmuskulatur oder Sprunggelenk während des Fluges geachtet werden. Für Personen mit Risikofaktoren für eine Thrombose, empfehle ich zusätzlich eine prophylaktische Blutverdünnung in Form von Spritzen oder Tabletten, die individuell bestimmt wird.


Wann sollte man unbedingt einen Venenspezialisten aufsuchen?

Bei akut aufgetretenen Beschwerden wie Schmerzen, Schwellung im Bereich der Extremitäten, Verhärtung und Rötung von Krampfadern, insbesondere aber mit damit verbundener Atemnot oder Brustkorbschmerzen, Blutung aus einer Krampfader oder aus einer Wunde, soll unverzüglich ein Arzt konsultiert werden. Relativ dringend ist auch der Zustand, wenn sich die Haut um eine Wunde erwärmt, rot wird und Fieber oder Schüttelfrost auftreten. Weniger dringend, aber unbedingt kurzfristig abzuklären sind Krampfadern mit Schwellung, Hautekzeme, Verhärtung der Haut und etwas dringender offene Wunden ohne Entzündung. Wenn Krampfadern ohne subjektive Beschwerden vorliegen, gehören sie einmal abgeklärt, aber ohne Dringlichkeit.


Video: „5 Frage 5 Antworten zu den Venenerkrankungen“ für Verein Big5Health

Prägnante Antworten auf häufige Fragen zur Vorbeugung und Behandlung von Krampfadern mit Prof. Stanislava Tzaneva